Die Familiennamen der Oberösterreicher
Oberösterreich war bis ins 20. Jahrhundert ein Bauernland. Die Familiennamen, die im 15. und 16. Jahrhundert entstanden, als Hof- und Hausnamen aber viel weiter zurückreichen, spiegeln unsere Geschichte, die Geschichte der vielen Zuwanderungen aus allen möglichen Teilen Europas und der immer wieder sich erneuernden multikulturellen Gesellschaft, aber auch die Geschichte der Bauernhöfe, der Bauernarbeit und des Bauernlebens.
Bauernland Oberösterreich Die Wurzeln und Anfänge der heutigen oberösterreichischen Agrarstruktur liegen im frühen Mittelalter, noch vor der Jahrtausendwende, als der Boden zum größeren Teil durch unfreie Leute auf Rechnung des Herrn bearbeitet wurde, unter der Aufsicht eines Meiers, zum kleineren Teil auch durch persönlich freie Leute, die sich mehr oder weniger freiwillig unter den Schutz eines Herrn stellten und diesem dafür genau fixierte Abgaben in Naturalien oder Geld zu leisten hatten.
Viele Meier Im Hausnamen „Moa“ und im Familiennamen „Meier“, dem häufigsten österreichischen Familiennamen, ist die Erinnerung an die Meierhöfe und die damit verbundene Villikationsverfassung erhalten geblieben. Der häufigste Familienname in Oberösterreich ist Meier, in vielerlei Schreibweisen und Zusammensetzungen: als Mayr, Mayer, Meier, Meir, ob Obermeier, Hintermeier, Hasenmeier oder Bockmeier, Mayreder oder Mayringer und wie sie alle heißen mögen. Um 1830 hatten etwa acht bis zehn Prozent aller oberösterreichischen Familiennamen in irgendwelcher Form mit „Meier“ zu tun: Meier kommt vom lateinischen maior, dem Major als Offiziersrang und dem Hausmeier oder major domus als Oberen und Verwalter der herrschaftlichen Höfe, die um die Jahrtausendwende die Hauptbasis der adeligen Wirtschaftsweise darstellten. Im 11. und 12. Jahrhundert änderten sich die Organisationsprinzipien der grundherrschaftlichen Wirtschaft: Nicht mehr der große, zentrale Herrenhof, der von einem „Meier“ für den Herrn bewirtschaftet wurde, sondern die einzelnen Höfe oder Huben der Untertanen wurden zu den dominierenden Wirtschaftseinheiten. Viele Meierhöfe wurden im 12. und 13. Jahrhundert aufgelöst und an selbständige Bewirtschafter ausgegeben und stechen bis heute durch ihre Größe hervor. Huber und Lehner „Huber“ und „Humer“ sind die zweithäufigsten bäuerlichen Familiennamen: Dem Begriff Hufe oder Hube, dem Grundwort für Hof, begegnet man erstmals im 9. Jahrhundert, als Hofplatz, Haus und Grund zu untrennbaren Einheiten wurden und die für den Unterhalt einer Familie ausreichende Wirtschaftsgröße bezeichneten. War im Begriff Hube noch eine durchaus intensive Form der bäuerlichen Abhängigkeit enthalten, so rückte das Wort Lehen, das sich statt dessen im 12. und 13. Jahrhundert immer mehr durchsetzte und die „Leihe“ im Wortstamm enthält, die bäuerliche Betriebseinheit in die Nähe der Landausstattung für militärische Gefolgsleute. Oft bestanden auch Unterschiede in der Betriebsgröße: Nach Kremsmünsterer Quellen war ein Meierhof gleich zwei Huben und drei Lehen. Die „Lehner“ oder „Lechner“ bezeichneten also entweder eine bestimmte Rechtsstellung oder eine bestimmte Besitzgröße. Pointner und Häusler Mit den landwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritten konnte die Fläche, die eine Familie ernährt, verkleinert werden. Es entstanden Halb- und Viertelhufen, die als Hofstätten bezeichnet wurden. Der Name Hofstätter hält die Erinnerung daran fest. Noch kleinere Einheiten waren bestenfalls bei Intensivkulturen denkbar. Bisweilen wurde einem armen Dorfmitglied erlaubt, sich ein Grundstück innerhalb der allen Dorfmitglieder gehörenden Gemeinweide einzuzäunen, so dass die darauf angebauten Rüben oder Krautpflanzen vom Vieh nicht abgefressen werden konnte, also eine Pointe oder Peunte einzurichten: daher der Name Peuntner oder Pointner, der auch in vielen Zusammensetzungen vorkommt, von Lindpointner bis Himmelfreundpointner. Peunten und Neufänge sind Grundstücke außerhalb des engeren Dorfbereichs, die von ihren Inhabern durch Umzäunung aus der „Gemein“ (Allmende) ausgesondert und von der Grundherrschaft oder der Dorfgemeinde stillschweigend oder ausdrücklich auf Zeit oder auf Dauer zu individueller Nutzung freigegeben worden sind. Sie wurde häufig zum Anbau von Flachs oder Hanf, Kraut, Rüben, Hülsenfrüchten, Buchweizen, Hopfen oder Mohn verwendet, aber nur ausnahmsweise für den Getreidebau. Die kleinen Besitzgrößen, die Häuseln, waren nur mit einem nichtagrarischen Zuerwerbe existenzfähig. Der Name Häusler oder auch Söllner ist daraus entstanden. Wer gar kein eigenes Haus hatte, war ein Inwohner oder Inmann. Auch dieser Familienname kommt gelegentlich vor.'
Wimmer und Aigner Die „Wimmer“ haben nichts mit Weiden oder daraus gewonnenen „Wieden“ zu tun. Ihr Name leitet sich von Widum, einem Kirchenbesitz, her. Zehetmair, Zehntner und Zehetner waren Zehenteinnehmer, die den Zehent, den zehnten Teil der Ernte, der für die Kirche bestimmt war, einzusammeln hatten. Die Kastner verweisen auf die riesigen Getreidekästen, die die geistlichen Grundherrschaften für die Speicherung des Zehentgetreides erbauten oder die auch für die Versorgung der Städte oder der Bergbaugebiete errichtet wurden. Vitztum, ein Familienname, der vor allem im Innviertel häufig ist, kommt von vicedomus, dem Statthalter oder Pfleger.
Die Rechtsstellung lässt sich noch bei „Aignern“ erkennen, die ein freies Eigen besitzen. Die Stifter, die „binnen Jahr und Tag“, das heißt innerhalb Jahresfrist von ihrem Haus abgestiftet werden, d. h. vertrieben werden konnten, repräsentierten eine Rechtsstellung, die noch keine Vererbung der Höfe ermöglichte.
Burger und Berger Die Verbesserung der Rechtsstellung der Bauern im Zuge der Auflösung der Fronhofverfassung ging mit einer Verstärkung der Dorfgemeinschaft einher. Die Dörfer und Talschaften wurden zu den Wurzeln der bäuerlichen Gemeinde und Demokratie. Aus dem einstigen Hörigen wurde der „gemeine“ Mann, das Mitglied der Gemeinde. Das Ergebnis war der „Bauer“, zwar noch immer dem Herrn untertan, aber im Genuss größerer Sicherheiten und Freiheiten, so dass für seine soziale Einschätzung immer mehr die Besitzgröße entscheidend wurden.
Der „Bauer“ war im 12. Jahrhundert zur neuen Kategorie dessen geworden, der das Land bebaut, aber auch das Haus baut und zum Nachbarn wird. Der Nachpawr war eng mit der bäuerlichen Siedlungsweise des Dorfes verknüpft, die sich im 12. Jahrhundert immer mehr festigte. Das Ergebnis war der Baue, zwar noch immer dem Herrn untertan, aber im Genuss größerer Sicherheiten und Freiheiten, so dass für seine soziale Einschätzung immer mehr die Besitzgröße und die Höhe der Abgaben entscheidend wurden.
Die Grenze zwischen „Herren“ und „Gemeinen“, zwischen Adeligen und Nichtadeligen, zwischen Rittern und Bauern wurde schärfer: Durch die Verbauerung zahlreicher kleiner Ritter wurde jene Zwischenschicht von Ritterbauern zerstört, die noch in manchen bäuerlichen Hausnamen auf „Turm“, „Berg“ oder „Burg“ weiterlebte. Andererseits rückten ehemalige Ministeriale und kleine Ritter in den höheren Adel auf. Der Adel wurde zu einer kleinen, abgegrenzten Schicht. Die Bezeichnung Herr, die ursprünglich den Lehensherren und Mitgliedern des Herrenstands vorbehalten war, wurde auf alle Adeligen ausgedehnt. Familiennamen auf „Burger“, „Berger“, „Turner“ oder Burgstaller verweisen auf burg- oder turmähnliche Bauernhöfe oder auf alte Burgstellen, die verbäuerlichten.
Zeitlinger und Baumgartner Zoidl, Zeitlinger, Zeitlmaier, manchmal auch verwischt zu Seidl, Seidler oder Seidlmair verweisen auf die Zeitlerei, die Bienenhaltung, die in einer Zeit, als es keinen Zucker gab, hohe Bedeutung hatte. Die vielen Weinberger und Weinzierl auch in Gegenden, wo es längst keinen Weinbau mehr gibt, belegen die früher sehr viel weiter reichende Verbreitung der Weinkultur. Jeder Bauernhof hatte auch ein paar Obstbäume. Ein „Baumgartner“ musste da schon etwas besonderes sein, also einen Obstgarten haben, wo bessere, in Klöstern veredelte Sorten geerntet wurden. „Vogler“ verweisen auf den früher auch bei uns sehr weit verbreiteten Singvogelfang auf so genannten „Vogeltennen“ und „Vogelweiden“. Schwaighöfe waren speziell auf die Viehhaltung ausgerichtete Bauernhöfe, die sich zuerst eher der Schafhaltung widmeten und Schafkäse und Schafwolle erzeugten, im späteren Mittelalter aber immer mehr auf Rinderhaltung, Butter- und Butterschmalzproduktion und Käserei umgestellt wurden. Dörfliche Gewerbe Dass die dörflichen Gewerbe und Sonderbeschäftigungen, die Müller, Wagner, Binder, Schmiede, Fischer und Jäger oder Gamsjäger auch einen Niederschlag in Familiennamen fanden, verwundert nicht. Lokale Angaben Viele Familiennamen bezeichnen einfach die örtliche Lage, die für Bauern immer von entscheidender Bedeutung war: die Winkler, Taler, Doppler oder Tobler, Auer, Ebner, Leitner, Pichler, Moser, Ecker, Gruber und nicht zuletzt auch die Sandgruber. Literatur: Jandaurek, Herbert: Oberösterreichische Familiennamen um 1823-1830, in: Oö. Heimatblätter; Jandaurek wertete das Alphabetische Verzeichnis der Grundeigentümer aus. Hohensinner, Karl: Familiennamen-Atlas von Oberösterreich. Namen und Berufe. Verlag RegionalEdition, Linz 2011. 358 S. Weitere Informationen siehe Verlag RegionalEdition. Linktipp: www.austriaca.at/famos
Autor: Roman Sandgruber
Oberösterreichische Nachrichten, 12. April 2008
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